Speichenspannung – Laufrad, Handwerk vs. Zentrierroboter

Warum denkt man als täglicher Normalradfahrer*in überhaupt über Speichenspannung nach? Richtig, man denkt nicht darüber nach. Das normale Laufrad am Fahrrad tut das, was es tun soll, es läuft bzw. rollt und sorgt somit für das Fortkommen des Rades samt seines Fahrers*in und den sicheren Kontakt zum Boden.

Nachdenklichkeit lohnt sich dann, wenn nach dem Kauf eines neuen Rades der Hinweis folgt, nach einiger Zeit die Speichenspannung und die Rundläufigkeit der Laufräder kontrollieren und nachstellen sprich nachzentrieren zu lassen. Selbstverständlich und ganz natürlich scheint es zu sein, dass die Speichenspannung abnimmt und damit die Rundläufigkeit der Laufräder ernsthaft leidet. Und genau mit dieser Selbstverständlichkeit geraten neue Laufräder aus ihrer Mitte und müssen zur Inspektion, wo die Werkstatt das nachholt, was bei der maschinellen Herstellung der einfacheren Laufräder vernachlässigt wird. Doch auch hier wird nur halbherzig Qualität produziert. Aus Erfahrung weiß ich, die Rechtfertigung für einen fehlenden guten, mit Meßuhren ausgestatteten Zentrierständer beruft sich immer auf die große Erfahrung der vor Ort tätigen Zweiradmechaniker. Sicher, es gab und gibt immer noch Kollegen, welche am Klang der gespannten Speiche Ihre Vorspannung erahnen können.

Die meisten von uns besitzen diese Fähigkeit nicht. Wir müssen messen, die Rundläufigkeit zur Seite, zur Höhe und die Speichenspannung. In den allermeisten Fällen wird aber nur die Rundläufigkeit zur Seite erfasst und eingestellt. Das Rad wird zentriert, es läuft dann mittig und ohne „Schlag“ oder „Achter“, die Felge wird durch die Spannung der Speichen nicht aus ihrer gleichmäßig runden Form gebracht. Allein das ist schon nicht einfach wenn man bedenkt, dass eine viertel Umdrehung an einer Speiche diese Gleichmäßigkeit am Felgenring dessen Rundheit aus dem Gleichgewicht bringt.

Und jetzt etwas provokativ – ein einmal zentriertes und richtig vorgespanntes Rad muss nicht nachzentriert werden. Es hält ein Fahrradleben lang. Ich selbst praktiziere das bei meinen eigenen Rädern, die ich selbst fahre. Alle meine Laufräder sind von Hand eingespeicht und präzise ausgemessen was Seitenschläge, Höhenschläge und Speichenspannung angeht. Ich fahre die Laufräder oft mit viel Gepäck und selbst tiefe Schlaglöcher können ihnen wenig anhaben. Die Laufräder auf meinem Surly Disk Trucker rollen mittlerweile 11.000 km und rollen nach wie vor rund. Die Qualität der einzelnen Laufradkomponenten sind natürlich angemessen.

Was bedeutet das? Abgesehen von einer qualitativ vernünftigen Nabe sollte der Felgenring sehr steif sein. Bei Hohlkammerfelgen aus Aluminium mit relativ großem Kammerquerschnitt ist das meistens gegeben. Bei Felgenringen aus Carbon sowieso. Die Speichen müssen unzählige Schwingspiele von Last und Entlastung aushalten und sollten daher flexibler sein. Besonders haltbar und Betriebsfest sind hier sogenannte DD-Speichen oder Doppel-Dickend-Speichen. Sie verfügen über dickere Enden und einen dünneren Mittelteil. Diese Speichen ermöglichen Laufräder mit sehr hoher Haltbarkeit, hoher Laufleistung auch mit viel Gewicht.

Über die technischen Details des guten Laufradbaus werde ich in einem der kommenden Artikel noch eingehen.

Markus

Rahmenbauer, Zweiradmechanikermeister, Fahrradfahrer und Fahrradverrückter Wirtschaftsinformatiker

Alle Beiträge ansehen von Markus →